Internationale Zusammenarbeit

Die Auflösung der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre führte zu einer durchgreifenden Veränderung der politischen Großlage. Eine Neuorientierung der jetzt unabhängigen Staaten in allen gesellschaftlichen Bereichen stand an. Vorbilder hierfür wurden gesucht. Der Blick richtete sich auch auf die deutsche Rechtsordnung mit ihrem Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte: „Neuland“ für die Länder Mittel- und Osteuropas, die hier eines besonderen Engagements ihrer westlichen Partner bedürfen. Deshalb unterstützte die rheinland-pfälzische Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst Bulgarien und dann bereits seit vielen Jahren vor allem die Ukraine auf ihrem Weg, einen wirksamen Verwaltungsrechtsschutz zu gewährleisten. Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter aus Rheinland-Pfalz stellen ihre Erfahrungen für den organisatorischen Aufbau von Verwaltungsgerichten zur Verfügung, beraten bei der Entwicklung eines europäischen Rechtsschutzstandards entsprechenden Verwaltungsprozessrechts, referieren bei Fortbildungsseminaren und begleiten Hospitationen ukrainischer Richterinnen und Richter bei rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichten.

Schon bald nach der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 wurden mit der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ) Kontakte dorthin geknüpft. Die Stiftung unterstützt Staaten bei der Reformierung ihres Rechtssystems und Justizwesens. Ersten Gesprächen in Kiew im Jahre 1993, an denen damals bereits der Präsident des Verwaltungsgerichts Koblenz teilnahm, folgten zahlreiche Fachgespräche, Konferenzen und gegenseitige Gerichtsbesuche. Gemeinsames Ziel war, allgemein anerkannte  Rechtsschutzstandards europäischer Rechtsordnungen auch in dem künftigen ukrainischen Verwaltungsprozessrecht zu gewährleisten. Die Überlegungen mündeten in Entwürfe einer ukrainischen Verwaltungsgerichtsordnung, zu denen Vertreter der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichtsbarkeit gutachtlich Stellung genommen und die sie mit ukrainischen Juristen aus dem Justizministerium und Gerichten diskutiert haben.

Die beratende und unterstützende Begleitung der ukrainischen Gesetzgebungsarbeit fand ihren Abschluss mit dem Inkrafttreten des Gesetzbuches der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Ukraine zum 1. September 2005. An der Einführungskonferenz in Kiew am 29. September bis zum 2. Oktober 2005 nahmen auch Vertreter der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichtsbarkeit teil. Der Gerichtsaufbau ist wie in Deutschland dreistufig: Verwaltungsgerichte, Berufungsverwaltungsgerichte und das Oberste Verwaltungsgericht.

Seit dem Jahr 2005 kommen jeweils eine Woche lang ukrainische Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter nach Koblenz, um das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz und das Verwaltungsgericht Koblenz zu besuchen. Auf diese Weise entstand das "Deutsch-Ukrainische Kolloquium Verwaltungsprozess". Rheinland-Pfälzische Kolleginnen und Kollegen nehmen ebenfalls regelmäßig an Seminaren in der Ukraine teil. Bei ihren Besuchen, die mit Hilfe der IRZ-Stiftung durchgeführt werden,  erhalten die ukrainischen Richterinnen und Richter einen vertieften Einblick in die Aufgaben und die Tätigkeit der rheinland-pfälzischen Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter. Von besonderem Interesse sind dabei prozessrechtliche Fragen, da die Verwaltungsprozessordnungen in der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine ähnlich sind.

Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Dr. Lars Brocker begrüßt gemeinsam mit der Vorsitzenden Richterin am OVG Dagmar Wünsch und dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Koblenz Ralf Geis im November 2012 eine ukrainische Delegation.

Eine ausführliche Darstellung der Zusammenarbeit der rheinland-pfälzischen und der ukrainischen Verwaltungsgerichtsbarkeit findet sich bei Steinkühler, „Von Testpiloten und Verwaltungsrichtern“,  BDVR-Rundschreiben 3/2012.