| Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Beitrag zur IHK Pfalz wegen fehlerhafter Rücklagenbildung rechtswidrig – Beitrag zur IHK Koblenz hingegen nicht zu beanstanden

Pressemitteilung Nr. 5/2023

Die Beiträge zur Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz waren in den Jahren 2019 bis 2021 rechtswidrig, da die IHK die Ausgleichsrücklage fehlerhaft gebildet hat. Die Beiträge zur IHK Koblenz im Jahr 2021 sind hingegen nicht zu beanstanden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Eine Gewerbetreibende aus der Pfalz wandte sich mit ihrer Klage gegen ihre Heran­ziehung zu Beiträgen durch die IHK für die Pfalz für die Jahre 2018 bis 2021. In zwei weiteren Verfahren erhob eine Firma aus der Bekleidungsbranche mit bundesweiten Filialen Klage sowohl gegen ihre Veranlagung zu Kammerbeiträgen durch die IHK für die Pfalz für die Jahre 2018 und 2021 als auch durch die IHK Koblenz für das Jahr 2021. Beide Klägerinnen machten geltend, die Beklagten betrieben durch zu hohe Rücklagen eine unzulässige Vermögensbildung.

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße gab beiden Klagen gegen die Beitragserhebung durch die IHK für die Pfalz insoweit teilweise statt, als ein Beitrag für 2018 festgesetzt worden ist, weil die von der Beklagten gebildete Digitalisierungsrück­lage kein im Jahr 2018 bestehendes finanzielles Risiko abdecke. Im Übrigen wies es beide Klagen ab. Die Klage gegen die Beitragserhebung durch die IHK Koblenz wies das Verwaltungsgericht Koblenz ab. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil wies das das Oberverwaltungsgericht zurück. Auf die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt hob es hingegen die Festsetzung der Kammerbeiträge durch die IHK für die Pfalz bezüglich der Jahre 2019 bis 2021 auf.

Der angefochtene Beitragsbescheid der IHK Koblenz sei rechtmäßig. Beiträge zur Industrie- und Handelskammer dürften von Gesetzes wegen nur insoweit erhoben werden, als die Kosten ihrer Errichtung und Tätigkeit nicht anderweitig gedeckt seien; sie dürften daher grundsätzlich nicht der Bildung von zweckfreiem Vermögen dienen. Die Bildung von Rücklagen sei an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammerarbeit gebunden und müsse auch in ihrer Höhe von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Kammern dürften daher keine überhöhten Rücklagen bilden und müssten solche baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen.

Hiervon ausgehend sei die Bildung der Ausgleichsrücklage zur Kompensation etwaiger ergebniswirksamer Schwankungen im Wirtschaftsjahr 2021 durch die IHK Koblenz weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Beklagte habe sich einer geeigneten Methodik zur Bemessung der Ausgleichsrücklage bedient. Die Höhe der Risikovorsorge, die zugleich die maximal zulässige Obergrenze für die Ausgleichsrück­lage darstelle, sei mit Hilfe eines implementierten Risikokalkulationsmodells und einer von Wirtschaftsprüfern geprüften Softwarelösung, dem sog. Risiko-Tool, ermittelt worden. Ziel des Risiko-Tools sei es, eine Vorstellung zu erhalten, welches Gesamt­risiko die Kammer eingehe. Je nach Auswahl des sog. Konfidenzniveaus (90 %, 95 %, 99 % oder 99,99 %) erhalte man eine Information, mit welcher Wahrscheinlichkeit – in Höhe dieses Konfidenzniveaus – das tatsächliche Risiko nicht höher sei als das vom Risiko-Tool ermittelte Gesamtrisiko. Gegen die Anwendung dieser Softwarelösung, die die Industrie- und Handelskammern in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und einer Unternehmensberatungsgesellschaft zum Zwecke der Berechnung von Risiken für die jährliche Dotierung der Ausgleichsrücklage ent­wickelt haben, sei nichts zu erinnern. Die konkrete Anwendung des Risiko-Tools im Wirtschaftsjahr 2021 sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies gelte insbesondere für die Wahl eines Konfidenzniveaus von 95 %. Zwar sei es grundsätzlich notwendig, eine sachlich begründete Entscheidung für die Wahl des Konfidenzniveaus zu treffen. Eine gesonderte Begründung sei jedoch dann entbehrlich, wenn sich die Beklagte – wie hier die IHK Koblenz – bei der Wahl des Konfidenzniveaus an einem standardisierten und als üblich anzuerkennenden Wert orientiere, mit dem sie gerade zum Ausdruck bringe, dass keine Besonderheiten, insbesondere keine Gründe für eine besonders konservative oder besonders risikofreudige Herangehensweise bestünden. Dies treffe auf das von der Beklagten gewählte Konfidenzniveau von 95 % zu, da insbesondere im Versicherungsbereich, in dem auf ähnliche Prognosemethoden zurückgegriffen werde, mit einem solchen Konfidenzniveau gearbeitet werde.

Die angefochtenen Beitragsbescheide der IHK für die Pfalz seien hingegen rechts­widrig. Denn die von ihr gebildeten Ausgleichsrücklagen zur Kompensation etwaiger ergebniswirksamer Schwankungen in den Wirtschaftsjahren 2019 bis 2021 seien der Höhe nach zu beanstanden. Bei der konkreten Anwendung des Risiko-Tools im Wirt­schaftsjahr 2021 habe sich die beklagte IHK für die Pfalz in Kenntnis des Standardwerts von 95 % für die Anwendung eines Konfidenzniveaus von 99 % entschieden. Insbeson­dere vor dem Hintergrund des gravierenden Unterschieds zwischen einem Konfidenz­niveau von 95 % (1,898 Millionen €) und einem Konfidenzniveau von 99 % (4,379 Millionen €) von fast 2,5 Millionen € im Wirtschaftsjahr 2021 hätte es wegen der damit verbundenen unterschiedlich starken finanziellen Belastung der Beitragspflichtigen einer aussagekräftigen und belastbaren Begründung für eine Abweichung vom Standardwert bedurft. An einer solchen tragfähigen, sachgerechten Begründung fehle es.  Demgegenüber genüge die zudem gebildete Digitalisierungs- bzw.  Zinsausgleichs­rücklage den rechtlichen Anforderungen.

Das Oberverwaltungsgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts­sache jeweils die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Urteile vom 25. April 2023, Aktenzeichen: 6 A 11190/22.OVG, 6 A 11191/22.OVG und 6 A 11192/22.OVG

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