| Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Veränderungssperre und Bebauungsplan der Gemeinde Altrip unwirksam

Pressemitteilung Nr. 9/2019

Die Satzung der Gemeinde Altrip (Rhein-Pfalz-Kreis) über die Veränderungssperre für den Bebauungsplan „Einzelhandel Goethestraße“ sowie ihr Bebauungsplan „Ärzte­haus“ sind unwirksam. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in zwei Normenkontrollverfahren.

In dem einen Verfahren (Az.: 8 C 10622/18.OVG) wendet sich die Antragstellerin, die Eigentümerin hiervon betroffener Grundstücke ist, gegen die erneute Veränderungs­sperre der Gemeinde Altrip für den Geltungsbereich des Bebauungsplans „Einzel­handel Goethestraße“. Mit diesem Bebauungsplan wird das Ziel verfolgt, nach Schließung des Rewe-Marktes im November 2010 das Gelände an der Goethestraße weiterhin als Einzelhandelsstandort auszuweisen. Das Planaufstellungsverfahren zu diesem Bebauungsplan ist im Dezember 2010 eingeleitet worden. Ebenfalls im Dezember 2010 wurde eine erste Veränderungssperre erlassen, die entsprechend der gesetzlichen Regelung nach zwei Jahren außer Kraft trat. Im Oktober 2012 beschloss die Gemeinde, das Bebauungsplanverfahren einstweilen ruhen zu lassen, und die Ergebnisse eines in Aufstellung befindlichen Einzelhandelskonzepts abzuwarten. Im Mai 2017 nahm die Gemeinde das Bebauungsplanverfahren wieder auf und erließ eine sog. „erneute Veränderungssperre“ zur Sicherung des Bebauungsplans „Einzel­handel Goethestraße“.

Das Oberverwaltungsgericht gab dem Normenkontrollantrag statt und erklärte diese am 26. Mai 2017 in Kraft getretene Veränderungssperre mit Wirkung vom 26. Mai 2018 für unwirksam. Denn die strengen gesetzlichen Voraussetzungen für eine über drei Jahre hinausgehende Geltungsdauer einer Veränderungssperre, die sowohl bei deren Verlängerung als auch bei deren erneutem Erlass zu beachten seien, hätten nicht vorgelegen. Es seien keine „besonderen Umstände“ gegeben, die ein solch überlanges Planaufstellungsverfahren rechtfertigten. Ein Einzelhandelskonzept habe bereits im Jahr 2014 vorgelegen. Daher sei die Veränderungs­sperre der Gemeinde ab dem vierten Jahr der Gesamtgeltungsdauer, das heißt ab 26. Mai 2018 für unwirksam zu erklären.

In dem zweiten Normenkontrollverfahren (Az.: 8 C 11387/18.OVG) wenden sich die Antragsteller, die eine planbedingte Zunahme des Straßenverkehrs und des dadurch erzeugten Lärms geltend machen, gegen den Bebauungsplan „Ärztehaus“, mit dem ein Teil einer innerhalb der Ortslage von Altrip gelegenen Parkfläche als Mischgebiet überplant wird.

Das Oberverwaltungsgericht erklärte den Bebauungsplan für unwirksam, weil er gegen höherrangiges Recht verstoße. Dabei spreche bereits einiges dafür, dass die Gemeinde nicht berechtigt gewesen sei, die Planung im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung und Erstellung eines Umweltberichts vorzunehmen.  Jedenfalls verstoße der Bebauungsplan gegen das Gebot fehlerfreier Abwägung. Der Abwägungsvorgang sei verkürzt. Denn die Gemeinde rechtfertige den Bebauungsplan einerseits mit dem konkreten Planungskonzept eines Investors zur Errichtung eines Ärztehauses mit überwiegendem Anteil an Arztpraxen, habe andererseits jedoch keinen auf dieses Vorhaben bezogenen Bebauungsplan beschlossen, sondern ledig­lich einen sogenannten Angebotsbebauungsplan mit der generellen Festsetzung eines Mischgebiets erlassen, ohne sich bewusst zu machen, welche anderweitigen Nutzungsmöglichkeiten mit dieser gewollten Flexibilisierung eröffnet würden. Sie hätte sich Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie die Überplanung der Parkfläche auch für eine andere Mischgebietsnutzung als die Errichtung des geplanten Ärzte­hauses oder für eine andere Gewichtung der Anteile von ärztlicher und sonstiger Nutzung billige. Dies sei hier nicht geschehen. Die zum Zeitpunkt des Satzungs­beschlusses geplanten Nutzungseinschränkungen im Grundstückskaufvertrag könn­ten das Abwägungsdefizit nicht beheben.
 

Urteile vom 13. Februar 2019,
Aktenzeichen: 8 C 10622/18.OVG und 8 C 11387/18.OVG

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